Die Kombination aus labilen Lieferketten und einer hohen Inflation lassen die Rohstoff- und Einkaufspreise weltweit ansteigen. Hiervon sind unsere Konsumgüteraktien Nestlé (WKN: A0Q4DC) und Unilever (WKN: A0JNE2) direkt betroffen. Denn die geben ihre höheren Kosten für Beschaffung und Produktion natürlich in gewisser Form an die Verbraucher weiter. „Surfen” beide Konzerne in gewisser Form sogar die Inflationswelle und steigern am Ende ihre Gewinne? Die Nestlé Aktie hat seit Jahresbeginn rund zehn Prozentpunkte eingebüßt.
Schrumpfender Gewinn trotz Umsatzralley!
Einen „beispiellosen“ Anstieg der Rohstoff-, Verpackungs-, Energie- und Frachtkosten habe Nestlé im ersten Halbjahr 2022 erlebt. Der Hersteller bekannter Marken wie Vittel, Maggi und Kitkat hob seine Preise infolgedessen um 6,5 Prozent an. Im selben Zeitraum des Vorjahres lag dieser Wert noch bei 1,3 Prozent. Damit verhält sich der oft kritisierte Konzern sogar noch deutlich kundenfreundlicher als Konkurrent Unilever. Die Produkte des britischen Konsumgüter-Konzerns verteuerten sich mit plus 9,8 Prozent deutlich stärker.
Zwar ließen die Preissteigerungen den Umsatz von Nestlé kräftig anziehen. Um 9,2 Prozent kletterte dieser auf 46,7 Milliarden Euro im H1 2022. Zeitgleich sackte jedoch der Gewinn auf 5,34 Milliarden Euro ab (-11,7 %). Der Konzern erklärt dies mit erhöhten Restrukturierungskosten und das veränderte Russlandgeschäft. Außerdem sagt Konzernchef Mark Schneider, dass sein Unternehmen nicht die volle Inflation durch Preissteigerungen an die Kunden weitergeben wolle. Man arbeite „sehr, sehr hart an Effizienzsteigerungen, um die Auswirkungen auf unsere Verbraucher abzumildern“. Trotzdem: Auch dieser Schritt lässt die Margen schrumpfen.
Bleiben die Kunden an Bord?
Denn hier zeichnet sich die große Herausforderung für Anbieter höherpreisiger Produkte wie Nestlé ab. Wie weit gehen die Verbraucher die Preissteigerungen mit? Und wann ab wann greifen sie in die tieferen Regale zu billigeren Produkten? Das sei laut Schneider „die Schlüsselfrage, die jeder sehr genau beobachtet“. Der Schritt von Nestlé, kurzfristige Gewinnrückgänge in Kauf zu nehmen, könnte sich langfristig als wertvoll herausstellen. Es ist nicht garantiert, dass Kunden, die man jetzt an die Billig-Angebote verliert, nach einem möglichen Abklingen der Inflation selbstverständlich zurückkommen.
Es gibt auch proaktivere Wege, auf die jetzige Situation zu reagieren. Nestlé will die eigenen Kosten senken und dazu neue „Technologien in der Produktion“ einsetzen und die eigenen Rezepturen harmonisieren. Deswegen sehen wir die Nestlé Aktie momentan im Vorteil gegenüber dem Konkurrenten Unilever, der bislang sichtbar stärker auf Preiserhöhungen setzt.
Legt die Nestlé Aktie langfristig stärker zu?
Im vergangenen Quartal entwickelten sich die Geschäftszahlen der Briten erstmal deutlich besser. Der Umsatz stieg um 17 Prozent. Und auch der operative Gewinn entwickelte sich im Gegensatz zu Nestlé mit plus vier Prozent positiv. Dafür ging die verkaufte Menge an Produkten im Vergleich zum Vorjahr bereits zurück. Ein Tendenz-Unterschied, der sich langfristig negativ bemerkbar machen könnte. Das laufende Halbjahr wird uns zeigen, welcher der Konzerne die bessere Strategie fährt. Aus der Perspektive des langfristigen Anlegers halten wir mehr von der abfedernden Nestlé-Strategie.
Julian besitzt keine der im Artikel erwähnten Aktien.