Als letzter der amerikanischen Techgiganten legte Amazon (WKN: 906866) die Zahlen für das erste Quartal 2022 vor. Die Zahlen waren für das wachtumsverwöhnte Unternehmen eine leichte Enttäuschung und so wurde die Aktie in einer ersten Reaktion mit einem Minus von knapp zehn Prozent abgestraft. Ob diese Reaktion allerdings gerechtfertigt war, schauen wir uns in diesem Beitrag einmal an.
Amazon Q1 2022 Ergebnisse
Q1 2022 | Q1 2021 | Veränderung | |
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Umsatz | 116,4 Mrd. US-$ | 108,5 Mrd. US-$ | +7,3 % |
EBIT | 3,7 Mrd. US-$ | 8,9 Mrd. US-$ | -58,4% |
Nettoergebnis | -3,8 Mrd. US-$ | 8,1 Mrd. US-$ | |
Free Cashflow | -18,6 Mrd. US-$ | 26,4 Mrd. US-$ | |
Product sales | 56,5 Mrd. US-$ | 57,5 Mrd. US-$ | -1,7% |
Service sales | 60,0 Mrd. US-$ | 51,0 Mrd. US-$ | +17,6 % |
Das Wichtigste im Überblick
Insgesamt hat sich das Wachstumstempo von Amazon im Vergleich zum Vorjahr deutlich abgeschwächt. Der Umsatz konnte lediglich um sieben Prozent gesteigert werden, dies wurde jedoch bereits im Vorfeld erwartet und Amazon erreichte mit dem Umsatz die obere Grenze des eigenen Ausblicks. Im Vergleich zum Vorjahr, damals betrug das Wachstum 44 Prozent, ist das Umsatzwachstum in diesem Quartal aber natürlich sehr mager ausgefallen.
Hauptgrund ist an dieser Stelle der Sondereffekt durch die Corona-Pandemie. In den Jahren vor der Pandemie lag das Umsatzwachstum im ersten Quartal in der Regel in einer Spanne zwischen 15 und 25 Prozent. Der durch die Pandemie ausgelöste Trend hin zum Onlineshopping sorgte dann im letzten Jahr für diesen außergewöhnlichen Wachstumsschub. Dadurch war die Vergleichsbasis für dieses Quartal sehr hoch. Betrachtet man die jährliche Wachstumsrate seit 2020, so erkennt man, dass Amazon trotz dieses “schwachen” Quartals in den letzten beiden Jahren überdurchschnittlich gewachsen ist. Daher erwartet Amazon für die kommenden Jahre auch eine Normalisierung der Wachstumsraten auf das Vor-Corona-Niveau.
Kerngeschäft Onlinehandel
Wie bereits erwähnt, hat sich das Wachstum im Bereich des Onlinehandels verlangsamt, weist jedoch im Vergleich mit dem Zeitraum vor der Pandemie weiter ein überdurchschnittliches Wachstum auf. Das Wachstum in diesem Bereich stieg durch den Trend hin zum Onlineshopping stark, wird sich in diesem Jahr aufgrund der zurückgehenden Beschränkungen auf einem hohen Niveau halten und in den kommenden Jahren wieder auf den Wachstumskurs zurückkehren.
Aufgrund der explodierenden Nachfrage musste Amazon in den vergangenen beiden Jahren schnell reagieren und hat stark in Infrastruktur und Mitarbeiter investiert. Alleine im zweiten Halbjahr 2021 stellte Amazon mehr als 270.000 neue Mitarbeiter ein. Dabei ist man mittlerweile besonders in Hinblick auf die Zahl der Mitarbeiter leicht über das Ziel hinaus geschossen. In den kommenden beiden Quartalen soll daher der Fokus auf der Produktivität liegen. Zum einen in Bezug auf die Mitarbeiter und zum anderen auch in Bezug auf die Abläufe. So erhofft sich Amazon bereits in zwei Quartalen in etwa das Produktivitätslevel von vor 2020 zu erreichen. Damit einhergehend würde man in etwa vier Milliarden US-Dollar Kosten einsparen, welche in diesem Quartal aufgrund von mangelnder Produktivität angefallen sind.
Hinzu kommen steigende externe Kosten. Getrieben durch die Inflation und weltweite Probleme bei den Lieferketten, stiegen die externen Kosten für Amazon in diesem Quartal um zwei Milliarden US-Dollar. Mittelfristig geht Amazon davon aus, dass diese Kosten weiter bestehen bleiben. Trotzdem sieht sich Amazon im Vergleich zur Konkurrenz sehr gut aufgestellt. Durch die massiven Investitionen in eigene Infrastruktur ist man nicht ganz so schlimm von den steigenden Logistikkosten betroffen, da vieles im internen Netzwerk versendet wird. Ohne das eigene Logistiknetzwerk wäre es auch nicht möglich gewesen, das eigene Geschäft in den vergangenen Quartalen aufrechtzuerhalten, externe Dienstleister hätten nicht die Kapazitäten gehabt. Trotz der weltweiten Lieferkettenprobleme hat es Amazon zudem geschafft, in Bezug auf die Schnelligkeit und Verlässlichkeit der eigenen Lieferungen nahezu das Niveau von Anfang 2020 wieder zu erreichen.
“The pandemic and subsequent war in Ukraine have brought unusual growth and challenges.”
Andy Jassy, CEO Amazon
Amazon Web Services + Werbegeschäft
AWS, Amazons Cloudsparte, hat sich auch in diesem Quartal wieder sehr positiv entwickelt. Die Umsätze von AWS konnten um 36,5 Prozent zulegen und lagen mit 18,4 Milliarden US-Dollar leicht über den Erwartungen. Wie bereits in der jüngeren Vergangenheit generierte AWS auch den Löwenanteil von Amazons EBIT. Dieses stieg auf 6,5 Milliarden US-Dollar, ein Wachstum von 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
AWS konnte damit aus unserer Sicht sogar von den drei großen Cloudanbietern am meisten überzeugen. Microsofts (WKN: 870747) Cloud weist eine ähnliche Größe auf, konnte jedoch den Umsatz nur um 26,5 Prozent und das EBIT um 29 Prozent steigern. Die Alphabet (WKN: A14Y6F) Cloudsparte wuchs zwar mit 45 Prozent etwas schneller als AWS, in Anbetracht der Tatsache, dass AWS jedoch aktuell nach Umsatz in etwa dreimal so groß ist wie die Google Cloud, muss Google zum einen erst einmal deutlich aufholen und hat es zum anderen natürlich auch noch viel leichter prozentual schneller zu wachsen. Daher ist AWS aus unserer Sicht weiter auf einem langfristig sehr guten Weg.
Ebenfalls positiv hat sich das Werbegeschäft von Amazon entwickelt. Zwar wurde im Vorfeld noch mehr von diesem Bereich erwartet, mit einem Umsatzwachstum von 25 Prozent ist Amazons Werbegeschäft jedoch deutlich schneller gewachsen als jenes von Alphabet und Meta Platforms (WKN: A1JWVX). Das Werbegeschäft von Alphabet legte in Bezug auf die Google Suchmaschine um 24,1 Prozent zu und bei YouTube sah es mit einem Plus von lediglich 15 Prozent noch schlechter aus. Auch der Facebook-Mutterkonzern Meta Platforms konnte den Werbeumsatz um lediglich 6,1 Prozent steigern. In diesem offensichtlich schwierigen Marktumfeld für Onlinewerbung ist das Wachstum der Werbesparte bei Amazon eine sehr gute Leistung aus unserer Sicht.
Die Realität setzt wieder ein
Alles in allem ist Amazon in diesem Quartal wieder in der Realität angekommen. Ähnlich wie Netflix hat Amazon besonders stark von der Pandemie profitiert. Mit dem Nachlassen der Sondereffekte fällt das Wachstum im Vergleich zu dem starken Pandemiejahr jetzt jedoch eher spärlich aus. Vor knapp zwei Jahren wurde Amazon als Profiteur an der Börse gefeiert, jetzt werden sie wegen mangelndem Wachstum in Grund und Boden geredet. So sind die Börsen halt und am Ende bringt es in erster Linie den Medien Klicks und den Brokern Handelsumsätze. Aus langfristiger Sicht ist dies jedoch eigentlich kein großes Problem. Kurz- und mittelfristige Schwankungen sind etwas vollkommen Normales und langfristig stimmt das durchschnittliche Wachstum weiterhin.
Aus unserer Sicht hat Amazon zudem in den vergangenen beiden Jahren eine unfassbare Stärke bewiesen. Weltweit hat besonders die Logistikbranche extrem zu kämpfen und Amazon hat es trotzdem geschafft, seine interne Logistik nahezu lückenlos aufrechtzuerhalten. Darunter hat zwar die Produktivität gelitten, aber dessen ist sich der Onlinegigant bewusst und packt das Problem nun in den kommenden Quartalen an. Trotz aller Probleme ist Amazon von der Geschwindigkeit und Verlässlichkeit bereits heute wieder ind er Nähe der Niveaus von Anfang 2020. Welcher andere Konzern kann das unter den aktuellen Bedingungen von sich behaupten? Für uns bleibt Amazon daher weiter eines der langfristig erfolgreichsten Unternehmen der Welt und die Aktie folglich auch weiter Teil unserer Top-50 Aktien.
Robin besitzt Aktien von Amazon.