Die aktuellen Quartalsberichte führender E-Commerce-Konzerne wie Amazon (WKN: 906866) und Shopify (WKN: A14TJP) waren eher enttäuschend. Die Amazon Aktie war nach einem gedämpften Wachstum deutlich gefallen. Auch Shopify performte etwas unter den Erwartungen der Analysten. Die Aktie wurde direkt mal mit einem fetten Minus abgestraft. Auch wenn sich die deutlich kleinere E-Commerce-Plattform seit ein paar Jahren langsam zu einem Gegenspieler entwickelt: Amazon hat mal wieder gezeigt, warum es die Konkurrenz auch langfristig hinter sich lassen könnte.
Es gibt noch große Unterschiede!
Natürlich spielt Amazon mit Blick auf den Umsatz in einer ganz anderen Liga als Shopify. Der deutlich kleinere, kanadische E-Commerce-Konzern kam im ersten Quartal auf einen Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar. Amazon hat im selben Zeitraum über 116 Milliarden US-Dollar eingenommen. Auch wenn Amazon mit Sparten wie den Amazon Web Services zusätzliche starke Einnahmequellen besitzt, wird der Großteil weiterhin im Onlinehandel verdient.
Es gibt auch einen wichtigen qualitativen Unterschied zwischen den Angeboten von Amazon und Shopify. Während Amazon die Kunden und Händler auf der eigenen Plattform binden möchte, gibt Shopify den Onlinehändlern das Rüstzeug, um eine eigene Plattform zu betreiben. Mit Blick auf die Charts der beiden Wertpapiere, haben Anleger im Geschäftsmodell von Shopify zuletzt vielleicht etwas mehr Wachstumspotenzial gesehen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass Amazon bereits deutlich ausgebreiteter agiert. In den vergangenen fünf Jahren hat die Amazon Aktie um knapp 140 Prozent zugelegt. Im selben Zeitraum ging es für die Shopify Aktie doppelt so stark nach oben.
Auch Amazon sieht die Erfolge von Shopify!
Nun hat Amazon auf den Erfolg des kleinen Konkurrenten reagiert. Somit können Prime-Mitglieder durch den neuen Dienst „Buy With Prime” die Vorteile jetzt auch bei Drittanbietern nutzen. Händler haben von nun an die Möglichkeit, auf ihren eigenen Webseiten den zweitägigen kostenlosen Versand und Rücksendungen anbieten. Alles wird dabei natürlich über das gut ausgebaute Logistik-Netz von Amazon organisiert. Hierfür werden auch die bereits gespeicherten Kundendaten von Prime verwendet. Der neue Dienst wird erstmal nur auf den Plattformen der Händler zu finden sein, die bereits mit Amazon zusammenarbeiten und deren Artikel in den Lagern des Plattform-Riesen vorrätig sind. Im Laufe der Zeit soll „Buy With Prime” dann auch für Einzelhändler bereitstellen, die keine Produkte auf Amazon anbieten.
Mit der Ausweitung der Dienste kann sich Amazon dem Geschäftsmodell von Shopify annähern. Man erhofft sich im Management des Konzerns damit natürlich auch der Konkurrenz etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Zusätzlich wird die Kooperation mit Amazon für Händler dadurch noch attraktiver. Mit „Buy With Prime” kann man eine hochausgebaute Plattform-Logistik nutzen, ohne die Kunden von der eigenen Website zu schicken. Die Markenbindung wird dadurch deutlich erleichtert.
Amazon Aktie: Proaktivitiät, die man gewohnt sein sollte!
Schon mehrmals haben wir in unseren Artikeln betont, wie sehr Amazon auch von der steten Veränderung und der Investition in neue Technologien profitiert. Der letzte Schachzug mit „Buy With Prime” zeigt wie wachsam und gründlich der Konzern hierbei vorgeht. Man ruht sich nicht auf dem eigenen Größenvorteil aus, sondern reagiert auch auf die sichtbaren Erfolge der kleinen Konkurrenz.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die enttäuschenden Quartalsberichte auf eine allgemein schwächelnde E-Commerce-Branche hindeuten. Die weiter hohe Inflation und steigende Zinsen führen zu einem abnehmenden Online-Konsum. In den USA gaben Verbraucher im April knapp 78 Milliarden US-Dollar online aus. Das ist ein Rückgang von 6,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Auch die verstärkte Rückkehr der Kunden in physische Geschäfte spielt in diese Entwicklung mit rein. Auch wenn uns der letzte Quartalsbericht aufhorchen lässt: Amazon bewegt sich in einem sehr komplizierten Marktumfeld fast auf dem Level von Anfang 2020. Die abermals bewiesene Entwicklungsdynamik des Konzerns ist ein auch ein gutes Zeichen. Die Amazon Aktie bleibt daher weiter in unserer Top-50.
Julian besitzt keine der im Artikel erwähnten Aktien.