Weltweit findet für viele Menschen der russische Invasionskrieg in der Ukraine vor allem in den sozialen Medien statt. Von Beginn an haben sich auch die Tech-Größen Alphabet (WKN: A14Y6F) und Meta (WKN: A1JWVX) mit ihren verschiedenen Plattformen stark eingemischt. So ging es in erster Linie darum, die russischen Staatsmedien in ihrer Verbreitung von Propaganda und Falschinformationen einzuschränken. Doch der Kreml schlägt inzwischen zurück. Im letzten Akt wurde Meta zur „extremistischen Organisation“ ernannt. Damit reagierten die russischen Gerichte darauf, dass auf der Facebook-Plattform Aufrufe zur Gewalt gegen russische Soldaten zugelassen wurden. „Aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine“ sei der Konzern „nachsichtig mit politischen Ausdrucksformen wie <Tod den russischen Invasoren>“, kommentierte ein Facebook-Sprecher die Umstände.
Die jüngsten Entwicklungen zeigen recht deutlich ein Dilemma, auf das die längst Meinungs-machenden Internet-Konzerne zusteuern. Immer größer wird der Druck auf Meta und Co. ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Im Zuge des Krieges in der Ukraine wurde nun schnell und deutlich reagiert. Gleichzeitig gehen den Konzernen dadurch natürlich aber wichtige Werbeeinnahmen verloren. Kann das langfristig zur finanziellen Falle für Meta und Alphabet werden?
Wie haben die Plattformen jeweils reagiert?
Hier eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse seit Kriegsbeginn:
- 27. Februar: Google schaltet die Live-Verkehrsdaten und Informationen über Menschenansammlungen aus der Ukraine ab
- 01. März: Mehrere Tech-Unternehmen, darunter Alphabet und Meta sperren RT bzw. schränken den russischen Staatssender stark ein
- 02. März: Die EU verbietet die Verbreitung der russischen Staatsmedien RT und Sputnik
- 11. März: Alphabet sperrt YouTube-Kanäle, auf denen der Invasionskrieg Russlands in der Ukraine geleugnet wird
- 21. März: Ein Moskauer Gericht verbietet Metas Facebook und Instagram in Russland, der Konzern wird als „extremistische Organisation“ eingestuft
- Am 28.03: Rossgram soll als Instagram-Alternative in Russland an den Start gehen
Die große öffentliche Empörung und der ständige Druck durch den ukrainischen Präsidenten Selenskyj haben zu schnellen Reaktionen der Internet-Konzerne geführt. Gerade für Meta ist der russische Markt jedoch auch kaum ein Faktor für das eigene Geschäft. Der Mutterkonzern von Facebook setzte im vergangenen Jahr lediglich 500 Millionen US-Dollar in Russland um. Das sind gerade einmal 0,4 Prozent des Gesamtumsatzes von knapp 118 Milliarden US-Dollar. Härter könnte es da schon die Alphabet-Aktie treffen. Russland war mit einem Anteil von 5,61 Prozent am Gesamt-Traffic auf YouTube der weltweit zweitgrößte Markt für die konzerneigene Videoplattform.
Alphabet und Meta profitieren auch vom Krieg
Was in der Überschrift zynisch klingt, hat einen einfachen Grund. Denn gerade in der Anfangszeit gab es weltweit ein enorm starkes Interesse, den Angriffskrieg in Echtzeit über die sozialen Medien mitzuverfolgen. Laut Trio Chowdhry, einem Analysten bei Global Equities Research, habe der Krieg in der Ukraine die Nutzeraktivität unter anderem bei Meta und den Diensten von Alphabet um drei bis fünf Prozent erhöht. Demnach stieg die Aktivität bei YouTube am stärksten, danach folgen Facebook und Instagram.
Stehen wir am Anfang eines neuen Internets?
Für die langfristige Entwicklung stellt sich jedoch die Frage, ob wir uns derzeit in einem grundlegenden strukturellen Wandel der Online-Medien befinden. So könnte es für Nutzer in Zukunft zum Standard werden, dass große Plattformen auf politische Entwicklungen reagieren. Durch ein zunehmend konsequentes Entfernen von Falschinformationen und Propaganda würden den Internet-Konzernen natürlich potenziell auch bestimmte Nutzer-Gruppen verloren gehen. Menschen, deren Weltbild auf Facebook, Youtube und Co. nicht mehr abgebildet wird, blieben den Plattformen verstärkt fern und könnten sich mögliche Alternativen suchen. Oder ganze Länder, wie nun im Falle Russlands, sperren als Reaktion die Dienste für die eigene Bevölkerung. Bereits seit einigen Jahren haben wir die sogenannte „Great Firewall“ in China, mit der Peking unerwünschte Seiten und Inhalte in Echtzeit blockiert. Derzeit riecht vieles nach einer Fragmentierung des World-Wide-Web. Immer häufiger ist vom sogenannten „Splinternet“ die Rede.
Aus der Perspektive von Alphabet und Meta ist das mit Blick auf die eigenen Werbeeinnahmen wohl eine schlechte Entwicklung. Auf der anderen Seite könnte die verbesserte Qualität der Inhalte die Plattformen für andere Nutzer auch wieder attraktiver machen. Gerade Facebook hat derzeit große Image-Probleme, für deren Aufarbeitung jetzt ein passender Zeitpunkt sein könnte. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es jedoch zu früh, die Situation eindeutig bewerten zu können. Wir werden euch hier über die weiteren Entwicklungen informieren. Die Meta sowie die Alphabet-Aktie bleiben für uns trotz dieser Entwicklungen weiter interessant.
Zum Abschluss noch ein kurzes Statement, bevor jemand diesen Beitrag etwas falsch interpretiert. Wir stehen zu 100 Prozent auf der Seite der Ukraine und des Friedens. Dieser von Russland begonnene Krieg ist einfach nur abscheulich. Daher begrüßen wir die Entscheidung aller Konzerne, welche sich aus Russland zurückziehen. Wir würden auch nicht in ein Unternehmen investieren wollen, welches durch seine Aktivitäten dieses russische Terrorregime zumindest indirekt unterstützt.
Julian besitzt keine der im Artikel erwähnten Aktien.